Museo Nazionale Concordiese
Ihr wisst ja – ich liebe die Zeit der Römer und in meinem Umfeld stolpere ich immer wieder über diese Zeugen der Vergangenheit, egal ob daheim in Österreich oder hier in Italien. Im Museum in Portogruaro bin ich daher genau richtig!
Concordia Sagittaria habe ich euch bereits beschrieben, doch dass die schönsten Funde in Portogruaro zu sehen sind, war mir nicht bewusst, obwohl ich vor vielen Jahren bereits einmal dieses Museum besuchte.
Ihr fragt euch vielleicht (genau wie ich), warum das ausgelagert wurde. Ganz einfach: Der kleine Ort Concordia Sagittaria hatte nicht die finanziellen Mittel und Portogruaro als Nachbar half aus. Ein weiterer Grund könnte sein, dass die Eisenbahn auch damals schon hier Station machte.
Inzwischen gibt es auch in Concordia Sagittaria ein Museum mit Außenbereich. Das Kombiticket gilt in beiden Ortschaften!
Lasst mich zu Beginn kurz erklären, was euch erwarten wird und wie viel Zeit ihr vermutlich braucht.
Es sind “nur” zwei Etagen und ein kleiner Außenbereich, den man übrigens auch betreten kann, wenn man keine Zeit und/oder Lust für eine ausgedehnte Museumsbesichtigung hat.
Saal der Sarkophagen
Im Erdgeschoss, gleich nach dem Vorraum samt einem Nebenzimmer, das man auch nicht übersehen sollte, ist das Atrium. Ein sehr großer dreischiffiger Raum, der an eine Basilika erinnert, was so gewollt ist und an das frühe Christentum erinnern soll.
Hier findet ihr Unmengen von Inschriften (nicht nur) an den Wänden und so viele sehenswerte Stücke, dass ich euch nur einige genauer beschreiben werde. Ganz klar dominieren hier Exponate aus Stein vom sogenannten Soldatenfriedhof. Aber wir wurden extra darauf hingewiesen, dass auch andere Berufsgruppen zu finden sind.
Insgesamt wurden im Laufe der Zeit 260 Sarkophage ausgegraben, die natürlich nicht alle hier im Museum ausgestellt sind. Aber es sind auch spannende andere Zeugnisse der Vergangenheit zu sehen, wie ihr an den nachfolgenden Bildern erkennen könnt.
Wisst ihr, was ein Liktor ist?
Ich wusste es nicht, aber nun weiß ich, dass das Bodyguards – also Leibwächter im alten Rom waren! Auf dem gezeigten Relief seht ihr gleich 3 davon.
Wunderschön fein gearbeitet ist die kopflose Frauenstatue aus Marmor, die direkt neben den Mosaikböden steht. Zwei der Böden haben geometrische Motive, aber das dritte finde ich besonders schön!
Es zeigt zwei der drei Grazien und die Anmut, mit der so ein Bild mit winzigen Steinchen erstellt wurde, fasziniert mich immer wieder. Besonders seit ich in Spilimbergo die Mosaikschule besucht habe und den angehenden Künstler:innen beim Lernen zusehen durfte.
Die Anordnung der Stücke ist in diesem Raum immer noch weitestgehend so, wie die Gründer des Museums sie angeordnet hatten.
Weitere Räume, die zu besichtigen sind
Im vorhin bereits erwähnten Nebenraum haben mir besonders die kleinen Statuen gut gefallen, aber auch die große Menge an Münzen, deren Unterschiedlichkeit tatsächlich auch für Laien gut erkennbar ist.
Im 1. Stock werden sehr unterschiedliche Funde von Ausgrabungen, die von Dario Bertolini in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts durchgeführt wurden, ausgestellt.
Auffallend sind die Bronzen und viele unterschiedliche Alltagsgegenstände. Teile des Schmucks könnte man auch heute noch tragen! Besonders faszinierend für mich war, dass auch Stücke aus Glas die Jahrtausende überdauert haben!
Die Ausstellungsstücke in allen kleineren Räumen (auf beiden Etagen) sind nach modernen Gesichtspunkten arrangiert.
Wer war Dario Bertolini?
Man kann ihn bereits in der Eingangshalle nicht übersehen kann! Dario Bertolini wurde 1823 geboren und starb wenige Jahre vor 1900. Er war studierter Jurist, doch die Archäologie war seine Leidenschaft. Er war mit dafür verantwortlich, dass dieses Museum entstand und somit war naheliegend, dass er der erste Direktor des Museums wurde. Dieses Museum ist eines der ältesten italienischen Staatsmuseen!
Die Studienjahre verbrachte er in Padua und Wien, wodurch er so gut Deutsch sprach, dass er zeitweise auch in unserer Sprache unterrichten konnte.
Genau zu der Zeit erhoben sich die national-italienischen Aufständischen gegen die Österreicher und Dario war dabei.
General Radetzky – damals Generalgouverneur von Lombardo-Venetien – war maßgeblich dafür verantwortlich, dass der Aufstand niedergeschlagen wurde. Radetzky’s Gattin war übrigens Franziska, Gräfin Strassoldo-Graffemberg, womit wir mit dem Geschlecht der Strassoldos wieder im Friaul gelandet sind.
Ihr erinnert euch doch an den Namen Radetzky? Er war einer der bedeutendsten Heerführer Österreichs im 19. Jahrhundert. Den Radetzkymarsch von Johann Strauss (Vater) kann jedes Kind pfeifen oder trällern!
Geschichte der Museumssammlung
In der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts wurden dermaßen umfangreiche Ausgrabungen in Concordia Sagittaria gemacht, dass die Fundstücke zusammen mit Stiftungen aus privaten Sammlungen (z.B. die Familie Muschietti) einen Ort brauchten, um der Öffentlichkeit gezeigt zu werden. 1888 wurde das Museum in seiner jetzigen Form eröffnet. Den Palazzo Muschietti könnt ihr (Corso Martiri della Liberta’ 39) noch heute bewundern!
Falls ihr es beim Hereingehen nicht bemerkt habt, so solltet ihr vor dem Verlassen des Hauses noch auf die Madonna gleich neben dem Kassenfenster achten:
Beachtet unbedingt diesen Altar von allen Seiten, den sonst würdet ihr die das ein oder andere Flachrelief oder die Schriftzeichen übersehen. Die Bedeutung der thronenden Madonna mit Kind aus dem 13. Jahrhundert, ist ebenfalls auf Dario Bertolini zurückzuführen.
Eine deutsch-italienische Freundschaft
Noch einen bekannten Namen habe ich bei der Führung gehört: Theodor Mommsen. Als Kind habe ich den Film “Pepe, der Paukerschreck” dermaßen gern gesehen, dass ich mir den Namen des Gymnasiums so lang gemerkt hatte, bis ich in der Schule wieder von dem namensgebenden Historiker gehört habe. Vermutlich werden viele aus der Generation der Babyboomer diesen (zugegeben sehr anspruchslosen) Film auch gesehen haben. Wie man sich Dinge merkt, ist eigentlich egal, aber manchmal helfen auch ganz triviale Dinge 🙂
Um nach diesem kleinen persönlichen Umweg wieder auf die Fakten zurückzukommen: Mommsen und Bertolini standen in der Zeit des Museumsaufbaus in regem Austausch. Die Ausgrabungen wurden erst wenige Jahre vor 1900 beendet. Mommsen erhielt 1902 als erster Deutscher den Nobelpreis für Literatur für sein Werk Römische Geschichte, das er zeitgleich mit der Einrichtung dieses Museums verfasste.
Eine Besonderheit aus dem römischen Alltag
Achtet bitte beim nächsten Bild auf die Details. Dargestellt sind eine Schweinekeule und das Handwerkszeug (3 Messer und Gewichte samt Waage. Auf der linken Seite der Stein, auf dem gearbeitet wurde.
Ich hoffe, ich konnte euer Interesse wecken. Der Eintritt ist mehr als moderat und auch die Öffnungszeiten sind ausreichend. Schaut aber im Internet nach, was gerade aktuell ist, oder ruft einfach an. Auch heute sind die Ausgrabungen in Concordia Sagittaria noch nicht beendet und daher lohnt es sich bestimmt, alle paar Jahre wieder einmal durch das Museum zu schlendern. Falls ihr wirklich genau schauen wollt, so werdet ihr vermutlich ca. eine Stunde benötigen.
Nur für den Fall: Eine Toilette für Besucher gibt es auch im großen Raum ganz hinten rechts.
Archäologisches Nationalmuseum Concordia in→Portogruaro
Via Seminario, 26
30026 Portogruaro
Telefon: +39 0421 72674
Reservierung nicht (mehr) erforderlich
Tanti Saluti
Elena
Offenlegung:
Mein Besuch erfolgte bei einer meiner vielen privaten Besuche in Portogruaro. Ich wurde vom Museum weder beauftragt noch bezahlt, jedoch erhielt ich ein gratis Eintrittsticket.
Bei meiner Besichtigung kürzlich hatte ich besonders viel Glück, denn zuerst hat mir eine freundliche Mitarbeiterin alleine alle wesentlichen Stücke erklärt und wenige Stunden später war eine offizielle Führung, bei der ich dann noch viele weitere Details erfahren habe.
Seid bitte gnädig mit mir, falls ich etwas falsch verstanden habe, denn beide Führungen waren auf Italienisch, das ich leider auch nach so vielen Jahren noch nicht perfekt beherrsche.
Solltet ihr also inhaltlich einen Fehler feststellen, so schreibt mir eine Nachricht und ich korrigiere es – danke!
Oh, auf so ein richtig schönes klassisches archäologisches Museum könnte ich mal wieder! Venetien steht steit langem auf meinem Reisewunschzettel. Und das Museum hab ich jetzt auch dazu notiert. 🙂
Danke liebe Lena für deine netten Worte